Mazedoniens Präsident rechnet mit der EU ab


Über die Zustände an der griechisch-mazedonischen Grenze bei Idomeni wird viel geklagt. Jetzt meldet sich ein wütender Präsident Mazedoniens zu Wort, Gjorge Ivanov. Er sieht sein Land verraten und verlassen. BILD traf ihn in seinem Amtssitz in der Hauptstadt Skopje.

BILD: Herr Präsident, um den Flüchtlingsstrom aufzuhalten, soll die Türkei sechs Milliarden Euro und die Visafreiheit erhalten. Derweil muss Mazedonien an der Grenze zu Griechenland die „Drecksarbeit“ für die EU erledigen. Fühlen Sie sich für dumm verkauft?

Gjorge Ivanov: „Es ist nicht das erste Mal, dass Mazedonien von der EU so im Stich gelassen wird, wir kennen das schon! Als wir während des Kosovo-Krieges 360 000 Flüchtlinge aufgenommen haben, hat uns niemand geholfen. Deshalb haben wir jetzt proaktiv reagiert – unsere Armee schützt unsere Grenzen. Es ist doch so: In der Flüchtlingskrise bezahlen wir jetzt die Fehler der EU, schon 25 Millionen Euro unserer Steuergelder mussten wir ausgeben, wir haben den Krisenfall ausgerufen. Und was haben wir von Europa bekommen? Nichts! Keinen Cent! Stattdessen müssen wir jetzt als Nicht-EU-Land Europa vor einem EU-Land, nämlich Griechenland, schützen.“
Sie sind auch kein Schengen-Mitglied, aber schützen die Grenze ...
Ivanov: „Ja, wir hier sind ja nichts, kein EU-Land, kein Schengen, keine Nato. Niemand will uns. Und dennoch schützen wir Europa vor einem europäischen Land, das die Flüchtlinge mangelhaft kontrolliert beziehungsweise einfach weitergeschickt hat. Die Sicherheit wurde in der Flüchtlingskrise völlig aus den Augen verloren. Wenn wir uns auf Brüssel verlassen und nicht selbst reagiert hätten, wären wir längst mit Dschihadisten überspült worden.“

Was meinen Sie?
Ivanov: „Schauen Sie sich diese Pässe und Papiere an, die sind alle gefälscht oder geklaut – 9000 haben wir davon sichergestellt. Einige sogenannte Flüchtlinge reisen mit falschen Identitäten durch ganz Europa, und Griechenland gibt ihnen einfach die Stempel zur Weiterreise. Wir müssen davon ausgehen, dass viele, die mit diesen Papieren unterwegs waren, als radikale Kämpfer auf der Flüchtlingsroute einreisen wollten.“
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Auch Deutschland wollte Ihnen nicht helfen?
Ivanov: „Nein! Wir brauchten Ausrüstung für den biometrischen Datenabgleich, Deutschland hat immer alles abgelehnt. Wir haben aber andere Staaten gefunden, die uns helfen konnten. Es ist doch völlig absurd: Uns geht es ja nicht ums Geld, sondern um die Sicherheit des ganzen Kontinents. Aber das interessiert offenbar niemanden. Schauen Sie: Beim Paris-Attentat wurden wir gefragt, allerdings erst hinterher. Da konnten wir den Behörden dann mitteilen, dass insgesamt zehn Personen mit der gleichen Identität der Attentäter eingereist waren.“

Die Türkei sitzt bei den Verhandlungen mit der EU mit am Tisch, Sie nicht ...
Ivanov: „Wir sind leider Teil der Speisekarte. Wir waren schon immer Opfer der EU-Institutionen. 25 Jahre lang sind wir angelogen und manipuliert worden. Sieben Mal ging es bereits um eine EU-Mitgliedschaft, aber immer gab es eine Sperre, ausgelöst durch Griechenland. Niemand kommt in der EU mit den Griechen zurecht, aber wir sollen diesen Konflikt alleine mit diesem Land lösen können.“
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Die Lage an der Grenze in Idomeni droht zu eskalieren. Werden Ihre Soldaten dann nicht nur mit Tränengas, sondern möglicherweise auch scharf schießen, wenn Flüchtlinge gewaltsam nach Mazedonien wollen?
Ivanov: „Wir sind doch keine Tiere, die auf Kriegsflüchtlinge schießen! Zunächst einmal müssen Sie doch auf die griechische Seite schauen. Dort stehen EU-Polizisten, die die Lage in den Griff bekommen sollten. Aber das bekommen sie ja offensichtlich nicht hin.“